Eurasische Integration: Antwort an Curt Jankowski

Curt Jankowski fragte:
Wie wird Eurasien strukturiert sei?
Wenn Asien und Europa enger zusammenrücken, werden irgendwann vielleicht auch einmal gemeinsame Strukturen entstehen. Natürlich erst im russischen Raum und dann zwischen Rußland und der EU. Das kann dauern, aber irgendwann stellt sich die Frage nach der Strukturierung dieser Zusammenarbeit auf dem riesigen Kontinent. Gibt es da schon jemand, der sich Gedanken gemacht hat, egal ob sie ausgegoren sind oder nicht? Ich habe leider kein E-Mail, gehöre schon zu den älteren Semestern. Können Sie bitte hier antworten? Es wird mir dann mitgeteilt. Vielen Dank, Ihr C. Jankowski.
Kai Ehlers antwortete:

Lieber C. Jakowski,
wie Eurasien strukturiert sein wird kann heute natürlich niemand beantworten.
Ich sehe es so, daß entscheidende Veränderungen der globalen Neuordnung mit Veränderungen mit Wachstumsprozessen auf dem euro-asiatischen Kontinent zusammenhängen. Der eine Prozess ist die die Entwicklung der Europäischen Union mit der Kernmacht Deutschland und deren tendenzielle Abkoppelung von den USA, ein zweiter die Herausbildung einer asiatischen Union mit der Kernmacht China, ein dritter die Herausbildung einer russischen Union und ein vierter die einer zusammenhängenden arabischen Welt. Alle diese Prozesse finden bereits statt, wenn auch in unterschiedlichen Stadien ihrer Herausbildung, und die darin in Keimen angelegten plurale Kräfteverhältnisse stehen in Konkurrenz zu jeglicher Form einer unilateralen Weltordnung – sei sie von den USA oder sonst jemanden beansprucht. Dazu kommen regionale Integrationsprozesse in Südamerika und Afrika, die noch sehr in den Anfügen stecken, aber als weitere Elemente der Pluralisierung mit in diesen Zusammenhang hineinwirken. Aus dieser Konstellation heraus erhellt sich die gegenwärtig zu beobachtende Politik der USA (Afghanistan, Irak, atomare Bedrohung der „Schurkenstaaten“ Iran, Nordkorea, Syrien, Libyen), die praktisch darauf zielt, einen solchen weltweiten pluralen Prozess gleichberechtigter Partner – in den sie sich einordnen müssten – unter dem Anspruch der „einzig verbliebenen Weltmacht“ zu verhindern. Im Klartext bedeutet das Krieg – nicht nur gegen den Irak, sondern es bedeutet einen langandauernden, möglicherweise vernichtenden Krieg gegen die potentiellen Herausforderer, bzw. deren Parteigänger, wenn es der „internationalen Gemeinschaft“, das heißt, der Allianz, bzw. verschiedenen Allianzen der neuen Mächte nicht gelingt, die vernünftigen Teile der amerikanischen Gesellschaft zu einer Einsicht in die neu herangewachsenen Kräfteverhältnisse auf unseren Globus zu bewegen, vielleicht auch zu zwingen, indem sie der Globalisierung imperialistischer Ansprüche durch die USA die Gefolgschaft verweigern. Eine solche Verweigerung beginnt mit dem NEIN zum Krieg gegen den Irak und zu militärischen Lösungen des Terrorismusproblems und setzt sich fort in der gezielten Integration und Stärkung von global agierenden Regionalmächten und deren kooperativer Beziehung zueinander.

Soweit, lieber C. Jakowski, meine Sicht der heutigen Entwicklung, in der China, Russland und Europa und die Herausbildung ihrer von zivilen, kooperativen Beziehungen zwischen ihnen als Gegengewicht zur einseitigen Orientierung auf eine militärische Weltmacht USA eine entscheidende Rolle spielen. Deutschland nimmt darin in der Verarbeitung seiner Rolle im ersten Weltkrieg und seiner faschistischen Vergangenheit und als Herz des Europäischen Einigungsprozesses einen wesentlichen Platz ein. Die strategischen Entwicklungslinien der neuen pluralen Weltordnung Ordnung herauszuarbeiten und sich für deren Verwirklichung einzusetzen, halte ich daher für eine der wesentlichen Aufgaben der kritischen Intelligenz unseres Landes.
Zu einem Artikel „Euroasiatismus im heutigen russland“ in Eurasisches Magazin 07-02

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