Ukraine: Bestandsaufnahme

Schafft ein, zwei, drei viele Allmenden

Bericht vom 39. „Forum integrierte Gesellschaft“  am Samstag, 18.10.2014

Thema: Bestandsaufnahme

Liebe Freundinnen, liebe Freunde, liebe Interessierte,

drei Monate ist es schon wieder her, seit wir uns das letzte Mal bei Euch seitens des „Forums integrierte Gesellschaft“ gemeldet haben. Einige neue Teilnehmer/innen fanden sich zur Wiedereröffnung unserer Versammlungsjurte ein, nicht wenige Interessierte haben erstmals einen Platz auf der Verteilerliste des Forums gefunden. (Das sei hier gleich vorausgeschickt: Wer dort nicht bleiben möchte, möge es mailwendend mitteilen, danke)

Es hat einige Mühe gekostet, die Jurte wieder in den Zustand zu versetzen, dass sie sich für eine politische Runde eignet, so dass sie trotz schwerer Thematik, in angenehmer und freundschaftlicher Atmosphäre stattfinden kann. So war es – und so war es gut.

Thema waren, wie könnte es zurzeit anders sein, wieder die Ukraine, Russland und der Westen. Ich möchte an dieser Stelle nicht die Texte wiederholen, die Ihr, die Sie mit Gewinn – oder auch mit Widerspruch – bereits auf meiner Website lesen konnten/t, soweit es die Infos zum Krisen- und Kriegsverlauf rund um die Ukraine und die Hintergründe dazu betrifft.

Nur ein paar wesentliche Aspekte sollen hier gesondert betont werden:

Das ist erstens der konjunkturelle Charakter des heutigen Krisenverlaufes. Nach wie vor sind die Grundfragen der Ukrainischen Krise in keiner Weise gelöst und doch wird sie aktuell schon von der nächsten – Stichwort: „IS“ – aus der Medienwirklichkeit verdrängt. So unerträglich schrill die Propaganda jetzt über fast ein Jahr schmerzte, so schwer ist die plötzliche Stille zu ertragen, in der man den Eindruck gewinnen könnte, als kehre in dieser Frage nun so etwas wie Normalität und politische Routine ein. Gerade der jähe Wechsel lässt jedoch den Charakter des Informationskrieges, dem wir zunehmend ausgesetzt  werden, umso krasser und unübersehbar hervortreten. Gelöst ist gar nichts, nur die Kulissen werden ein bisschen verschoben, bevor allzu deutlich werden kann,  was auf ihnen gespielt wurde. Jetzt dürfen wir uns eine Zeitlang mit IS und Ebola beschäftigen – der Hintergrund bleibt der gleiche: eine konzertierte strategische Offensive der westlichen Allianz-Mächte und ihrer willigen Partner gegen Russland und die von ihm angeblich gefährdete Zivilisation.

Aber vielleicht muss man diese Propaganda gar nicht so zurückweisen, wie wir es ständig versuchen? Vielleicht ist es ja wirklich so? Vielleicht gefährdet Russland tatsächlich die herrschende Weltordnung? – allerdings in einem anderen Sinne als es von den Verteidigern der westlichen Wertegemeinschaft gemeint ist, die von einer Weltfriedensordnung sprechen, aber in Wirklichkeit die herrschende US-Hegemonialordnung meinen.

Das ist der zweite Aspekt, der herauszustellen ist: Wir erleben heute die Transformation der nach dem Zerfall der Sowjetunion vorübergehend übriggebliebenen unipolaren US-dominierten Weltordnung, ihren Übergang in eine multipolare globale Ordnung kooperativ miteinander verbundener Großregionen. Die Bedingungen und die politischen Konturen für diese Ordnung haben sich bereits herausentwickelt, die gegenwärtige Hegemonialmacht USA will die neue Ordnung aber unter keinen Umständen akzeptieren, obwohl ihre eigenen Strategen wie z.B. Sbigniew Brzezinski die Tatsache des Niedergang der USA als Weltpolizist selbst unverblümt aussprechen. In dieser weltpolitischen Situation steht Russland als Kernland Eurasiens und aus seiner Dynamik der nachsowjetischen Entwicklung heraus im Zentrum der heranwachsenden multipolaren Neuordnung – als Impulsgeber. Klar gesagt, selbst wo Russland defensiv auftritt wie etwa mit Vorschlägen einer Sicherheitszone von Wladiwostok bis Lissabon unter dem Dach der OSZE u.ä. wirken die von seiner heutigen Rolle als nachsowjetisches Transformationszentrum ausgehenden Impulse zersetzend auf das, was die aktuellen Hegemonialmächte, die Weltfriedensordnung nennen. Unter den gegebenen Bedingungen kann sich Russland, konkret die Putin-Regierung verhalten wie sie will – sie ist aus ihrer historisch gewachsenen Lage als wieder erstarkter Nachfolgestaat der Sowjetunion, als sich auf seine Rolle besinnender Integrationsknoten in Eurasien, als unermüdlicher Impulsgeber einer im Entstehen begriffenen multipolaren Ordnung unvermeidlich der strategische Opponent der USA – jedenfalls aus Sicht der heute dort herrschenden politischen Klasse, die sich keine multipolare Kooperation vorstellen kann oder will.

Damit sind wir beim dritten Punkt: Jede Konstellation, die Russland schwächt, schwächt die Entstehung einer multipolaren Ordnung. Aber können die USA – selbst im Bündnis mit ihren willigen Juniorpartnern – Russland tatsächlich so weit schwächen, dass es seine Rolle im Zuge der Herausbildung einer multipolaren Welt nicht wahrnehmen kann? Hier sind entschiedene Zweifel angebracht. Im Moment sieht es eher so aus, als ob die Versuche der USA Russland zu isolieren das genau Gegenteil bewirken, nämlich den engeren Zusammenschluss eben der Länder, in deren Reihen die multipolare Ordnung soweit herangewachsen ist, das sie heute eine politische Realität zu werden beginnt – im Zentrum die Schaffung eines mit dem IWF konkurrierenden Weltwährungsfonds und anderes mehr. Und Russland immer dabei! Noch entscheidender jedoch ist die grundsätzliche sozio-ökonomische Verfasstheit Russlands, das aus dem gegen ihn von den USA und dem Westen geführten Informations- und Sanktionskrieg eher gestärkt als geschwächt hervorgehen könnte – die Sanktionen fordern Russlands Autarkiekräfte heraus, der Informationskrieg führt dazu, dass sich Russland um seinen vom Westen dämonisierten Präsidenten schart, selbst dann, wenn er im Zuge eines Notregimes innenpolitisch zu autoritären Methoden greift.

Über diesen Effekt werden wir beim nächsten Treffen des Forums genauer sprechen.

Thema: Russlands Antwort auf den Informations- und Sanktionskrieg des Westens.

Am Samstag, d. 15.11.2014 um 16.00 Uhr in der Jurte am bekannten Ort.

 

Bitte anmelden: info@kai-ehlers.de  Tel: 040 64 789 791 mob: 0170 27 32 482

Wer den Ort nicht kennt, bekommt ihn dann mitgeteilt. Und wie immer bitten wir darum eine Kleinigkeit zum Knabbern mitzubringen.

 

Seid gegrüßt,

Kai Ehlers, Christoph Sträßner,

im Namen des Forums integrierte Gesellschaft